FONTANE, Theodor: E.Br.m.U. "Ihr Th. Fontane". Berlin 1.V.1851. An seinen Freund Friedrich Witte


FONTANE, Theodor, 1819-1898. E.Br.m.U. "Ihr Th. Fontane". Berlin 1.V.1851. 8 S. gr.-8°. Hellblaues Papier. Schwach fleckig.
An seinen Freund Friedrich Witte,, über die verkommenen politischen Zustände in Preußen nach dem Sieg der Reaktion; eingangs über Wittes Absicht, im Herbst nach Berlin zu kommen und Logis bei den Fontanes zu nehmen - vor Kurzem hatte das Ehepaar zwei Schüler als Pensionisten in seinen Haushalt aufgenommen, um der angespannten finanziellen Lage abzuhelfen. Am Schluss über seine literarischen Pläne.
"... In der Hoffnung daß Sie der Aachener Sündfluth nicht als Opfer gefallen sind, sprech' ich hiemit zunächst die Erwartung aus, daß Sie Anfang Oktober bei uns einspringen ... Emilie und ich freuen uns beide aufrichtig auf jene Zeit, da wir ein Stück Familie und nicht einen Chambre-garnisten von ächtem Schrot und Korn in Ihnen vermuthen. Den Pensionär-Kram geben wir bis dahin wahrscheinlich wieder auf: der Vortheil ist gering und der Aerger unerträglich. Wer die Sache nicht lediglich als Geschäft betreibt und wie wir den kindischen Wunsch hat: all den Rüpeln und Flegeln wirklich genügen zu wollen; - der ist verloren. Meine Frau will von diesen 'Männern der Zukunft' nichts mehr wissen ...
Sie sprechen in Ihren Briefen so außerordentlich wenig über Ihre augenblicklichen Verhältnisse; nur Unbehagen schimmert immer hindurch. Raisonniren Sie sich doch mal in einem Briefe tüchtig aus; Sie sollen sehn, es wird Einem wohler danach ..."
Im Folgenden auf Nachrichten über seinen nach Amerika ausgewanderten Onkel August, bei dem der junge Fontane in seiner Schul- und Gehilfenzeit immer wieder untergekommen war. "... Ihre Mittheilungen über August waren uns nicht mehr neu ... Mir schickte er eine Menge amerikanischer Zeitungen und kleine Gedichtbüchelchen voll amerikanischer Gassenhauer. Wenn das die Poesie der herrlichen United States ist, so müssen sie noch viel Fortschritte machen, eh' sie den Beobachter an der Spree erreichen. - Was August angeht, so befind' ich mich ihm gegenüber in einer schlimmen Lage. Er erweist mir allerhand kleine Aufmerksamkeiten, für die ich die Pflicht hätte ihm zu danken. Im Uebrigen aber ist er ein so vollendeter Bummler, ein so überreifer Yankee, daß ich blitzwenig Lust habe mit ihm zu verkehren und dadurch gewissermaßen seine Schwindeleien gutzuheißen, mindestens zu toleriren. Ich bin nur leider nicht der Mann dazu, weil es mir selber an der ächten Würdigkeit zum Richteramt gebricht, aber meine aufrichtige Meinung ist es: Strenge thut uns noth. Es darf nicht blos immer entschuldigt oder gar jede Verworfenheit philosophisch belächelt werden; - wir brauchen ein Stück Barbarei. Diese Toleranz wurzelt in der allgemeinen Angefressenheit, alles ist faul, und der schlimmste Giftstoff muß fort, oder unser Untergang ist vor der Thür. Die Reactionaire sehen das ein, aber (selber faul und nur politisch klug statt sittlich groß) ihre Zuflucht zu Aeußerlichkeiten oder dem verbrauchten Mittel: 'Muckerei' nehmend, werden sie's nicht erreichen; Puritaner brauchen wir; werden sie kommen? ich entdecke auf religiösem Gebiet nicht einmal die Keime dazu; unsre Opposition ist blos Negation, und für einen Nichtglauben stirbt Keiner den Schlachten- oder Feuertod. Es fehlt das bestimmte Bekenntniß. Und hätten wir politische Puritaner?! Hier hoff' ich mehr. Was bis jetzt hervorgetreten, war nur der Schaum der Gährung; drunter sitzt, so hoff' ich, das wahre, ächte Feuer. Die Ehrgeizigen haben das Begnadigungs-Blei im Leibe, die anderweiten Jammerkerle sind entlarvt; lassen Sie uns da ich, trauernden Herzens, alles Fiducit zu unsren Fürsten verloren habe, auf einen Washington hoffen oder auf Oranier statt der Stuarts ...
Daß meine Ballade" (" D e r T a g v o n H e m m i n g s t e d t ") "dem König vorgelesen wurde, daß ich gleichzeitig um eine Pension bettelte, werden Sie wohl aus meinem vorigen Briefe ersehen haben. Die Ballade gefiel, das Gesuch ist noch immer ohne Antwort. Majestät soll


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